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Raus aus der Fluktuations-Falle – Personalmanagement in der Arztpraxis neu denken

Fluktuations-Falle - leere Arztpraxis ohne Mitarbeiter

Inhaltsverzeichnis


Fluktuations-Falle - leerer Praxisempfang

Handeln, bevor Praxismitarbeiter kündigen

Wachsender Personalmangel bei Ärzten und MFAs und Mitarbeiter, die sich spontan morgens krankmelden. Gleichzeitig ständig steigende Patientenzahlen und übervolle Wartezimmer. Da bleibt in den Arztpraxen wenig Zeit für andere Themen wie lange Teambesprechungen, ausführliche Einarbeitung neuer Mitarbeiter oder gar Schulungen. Jetzt geht es nur noch darum, irgendwie die Patienten zu versorgen und hoffentlich nur mit 1-2 Stunden Verzögerung am Abend die Praxis zu schließen, bevor der Kampf am nächsten Tag morgens wieder weitergeht. Die noch vorhandenen Arbeitskräfte müssen diesen alltäglichen Wahnsinn jetzt eben irgendwie weiter bewältigen. Schließlich geht es ja um die Gesundheit der Patienten. Leider auf Kosten der Gesundheit der Ärzte und MFAs. Muss das so sein? Oder gibt es doch Wege, wieder neues Personal zu finden, das dann auch wieder lange in der Arztpraxis bleibt? In diesem Artikel liefern wir wichtige Impulse, wie das Praxisleben doch wieder gelingen kann und die hohe Fluktuationswelle gebrochen werden kann.


Eine ziemlich verzwickte Situation

Der Alltag in den Arztpraxen wird immer mehr zum reinen Irrsinn. Die Patientenzahlen steigen – und das wird die nächsten Jahre auch noch so weitergehen, weil jetzt die Babyboomer, die so genannten Geburten starken Jahrgänge, in Rente gehen. Sie werden älter und damit auch kränker, aber sie sterben nicht so früh wie die vorausgehenden Generationen, weil die Medizin große Fortschritte in der Behandlung, Therapie und Medikation gemacht hat. Gleichzeitig sinken allerdings die Zahlen der Erwerbstätigen, weil die nachfolgenden Generationen deutlich geringere Geburtenraten verzeichnen. Außerdem achten gerade die Jüngeren verstärkt auf sich selbst und melden sich oftmals lieber vorsorglich krank. Und schon bei kleinen Konflikten verlassen viele die Praxis.Bleibt also alles an den Jahrgängen dazwischen „hängen“ – und deren Kraft und Wille sind bald erschöpft, weil es auch zahlenmäßig zu wenige sind. Wie soll das weitergehen? Besteht überhaupt noch Hoffnung, neues Personal für die eigene Praxis zu finden?


Was ist den Praxismitarbeitern eigentlich besonders wichtig?

Praxisteam
Richten wir einmal den Blick weg von den Patienten und hin auf die Mitarbeiter. Was ist denn MFAs in einer Arztpraxis wirklich wichtig? Aus Studien und Mitarbeiterbefragungen ergibt sich immer wieder, dass sich die meisten vor allem ein harmonisches, strukturiertes Arbeitsumfeld wünschen. Sie möchten gemeinsam im Team arbeiten. Teamarbeit – das bedeutet: zusammen arbeiten. Die MFAs und Ärzte arbeiten zwar weiterhin alle in denselben Praxisräumen, aber sie sehen sich in der Hektik des Praxisalltags mittlerweile weniger. Jeder wird mehr und mehr zum Einzelkämpfer. Die Pause macht jeder schnell für sich, indem er oder sie hastig einen Kaffee in sich hineinschüttet oder ein Brötchen herunterschlingt. Daran ist nicht zuletzt auch die Corona-Pandemie schuld, wo es verboten war, gemeinsam Pause zu machen und jeder versucht hat, den anderen aus dem Weg zu gehen und die Kollegen nicht anzustecken. Dadurch sind bisher wichtige Elemente des Praxislebens völlig in den Hintergrund geraten und gelebte Strukturen zerfallen. Oder es gab sie noch nie. Zum Beispiel Teambesprechungen.

Bestandteile für ein gutes Praxisleben

Dabei sind diese wichtigen Praxis-Elemente sogar gesetzlich vorgeschrieben – in § 135a SGB V: Jede Arztpraxis ist verpflichtet, ein internes Qualitätsmanagement (kurz QM) einzurichten und aufrechtzuerhalten. Aber gesetzliche Verpflichtung hin oder her: Für QM hat jetzt wirklich keiner Zeit. Und was versteckt sich überhaupt hinter diesem abstrakten Begriff? Nun, genau das: Die Arztpraxen sollen Teambesprechungen führen, die Mitarbeiter schulen, neue Mitarbeiter einarbeiten. Im Grunde hat der Gesetzgeber – zumindest in den Kern-Elementen des Qualitätsmanagements – den Arztpraxen gar nichts zusätzliches „aufgebrummt“, sondern nur Bestandteile für ein gutes Praxisleben gesetzlich festgeschrieben. Eigentlich ist QM ein Bestandteil guter Praxisführung, dessen Elemente jeder gut laufende Betrieb ganz automatisch erfüllt. Auch wenn vielleicht nicht genau das Wort verwendet wird, das das Gesetz vorsieht – selbst jeder Außenstehende kann den Unterschied zwischen einer gut und einer schlecht laufenden Praxis schnell spüren.

Es wäre also sehr hilfreich, wenn sich die Praxen darauf wieder besinnen. Denn zu den wirkungsvollsten Mitteln für einen strukturierten Praxisablauf gehören Teambesprechungen, Schulungen und Einarbeitungen. Um (wieder) zu einem guten Praxisleben zu gelangen, sollte also jede Praxis

  1. Teambesprechungen (wieder) einführen
  2. Schulungen überdenken und (wieder) aufnehmen
  3. neue Mitarbeiter (wieder) strukturiert einarbeiten

Doch was macht genau diese QM-Werkzeuge so stark?


Die wunderbare Wirkung von Teambesprechungen

Das Bedürfnis zu kommunizieren, besteht immer, wenn Menschen häufiger miteinander zu tun haben wie MFAs und Ärzte untereinander in einer Arztpraxis. Ganz besonders in kleineren Teams. Die Frage ist nur, wie diese Kommunikation abläuft. Gibt es keinen strukturierten Rahmen wie feste Termine für Teambesprechungen, sucht sich das Kommunikationsbedürfnis eben andere Wege: Da schreiben zwei Kolleginnen in einem WhatsApp-Chat, drei Treffen sich in der Freizeit in einem Café, zwei tauschen sich bei der Raucherpause aus. Schnell weiß die eine etwas, was die andere gehört hat und eine Dritte schreibt ihre Meinung dazu lieber mit der Vierten über den Chat. Da ist die Gerüchteküche vorprogrammiert – und damit auch Vertrauensbrüche, Misstrauen und Konflikte. Bis eine geht. Teambesprechungen machen dem schnell ein Ende, weil nun alle Praxismitarbeiter im selben Raum zusammenkommen und wichtige Themen im Beisein aller besprochen werden. Missverständnisse und verschiedene Sichtweisen können sofort angesprochen werden und werden nicht wochenlang durch informelle Kommunikation verschleppt. Außerdem werden die Ergebnisse im Besprechungsprotokoll schriftlich und dadurch nachvollziehbar und verbindlich für das ganze Team festgehalten. Teambesprechungen müssen auch gar nicht kompliziert sein oder aufwändig vorbereitet werden. Machen Sie lieber häufigere, aber kürzere Besprechungen. Aber Vorsicht: Intervall und Länge, die sich für eine Nachbar-Praxis etabliert haben, müssen für die eigene Praxis deswegen nicht zwingend auch funktionieren.

Schulungen – überdenken und wieder aufnehmen

Bei Schulungen denken die meisten an die gesetzlich vorgeschriebenen Pflicht-Schulungen, aber das ist nur die eine Hälfte der Medaille. Mindestens genauso wertvoll sind die Wahl-Schulungen. Allerdings ist hier den Praxen logischerweise nicht vorgeschrieben, was sie schulen sollen. Schulungen durchzuführen, bedeutet letztendlich, Lücken im Wissen und Können der Mitarbeiter zu erkennen und zu schließen. Daher ergibt sich der konkrete Schulungsbedarf aus den Tätigkeiten und den Kompetenzen der Mitarbeiter jeder Praxis ganz individuell. Natürlich kann es schon ausreichen, dass die Wiederaufnahme der Pflicht-Schulungen (nach der Corona-Pandemie) das Team wieder bei einem strukturierten, bewussteren Arbeiten unterstützen. Aus meiner Erfahrung ist es aber ebenso hilfreich, das Team oder einzelne Mitarbeiter z.B. zu einer besseren Kommunikation mit den Patienten, dem besseren Umgang mit dem Patienten-Verwaltungs-Programm oder zu Zeitmanagement und Stressbewältigung zu schulen. Schulungen unterstützen auch die Mitarbeiter, die schon länger in einer Arztpraxis arbeiten, Veränderungen zu erkennen und bieten Handlungsmöglichkeiten bzw. -anweisungen, damit umzugehen. Denn das Praxisumfeld steht nie still.

Wie die strukturierte Einarbeitung für neue Mitarbeiter auch in hektischen Zeiten gelingt

Wie oft hört  man bei Beratungen, dass für eine strukturierte Einarbeitung in den letzten Jahren keine Zeit war. Und dann wundern sich die Praxen, dass sich die neuen Mitarbeiter nicht wohl fühlen, nicht im Team ankommen und nach einer mühsamen Einarbeitung wieder gehen. Und dann beginnt das Spiel mit dem nächsten neuen Mitarbeiter wieder von vorne.

Wie soll ein/e neue/r Mitarbeiter/in – selbst als ausgelernte Kraft – in die Eigenheiten der einzelnen Praxis finden, wenn nie Zeit ist, es ihm / ihr zu erläutern? Und jede Praxis hat ihre Besonderheiten, die natürlich nicht Teil der ohnehin knappen Ausbildung sind. Mit der Zeit gehen die anderen Teammitglieder einfach davon aus, dass er / sie es sicherlich gezeigt bekommen hat oder von selbst verstanden hat und ärgern sich über die Unfähigkeit des Neuen. So funktioniert es aber nicht. Eine gute Einarbeitung braucht Zeit. Und Geduld. Bei einer erfahrenen Kraft braucht die Einarbeitung vermutlich etwas weniger Zeit, aber sie muss trotzdem sein. Die Einarbeitungsphase darf nicht übersprungen werden. Bei einer unerfahrenen Kraft braucht das Einlernen dementsprechend länger und kann erst beendet werden, wenn die-/derjenige die notwendige Sicherheit hat, die Aufgabe selbst auszuführen. Dafür hat sich eine schrittweise Einarbeitung aus Zeigen, Anleiten, Überprüfen, Wiederholen, selbst Üben etabliert.

Auch ein fester Mentor ist sehr wichtig für die neuen Mitarbeiter, um überhaupt Vertrauen zum Team aufzubauen zu können. Als Einarbeitender ist aber nicht jede Person aus dem Team gleich gut geeignet. Häufig sind es eher die mit einem mütterlichen Wesen.

Eine gute Einarbeitung fängt aber schon mit der sorgfältigen Auswahl eines neuen Teammitgliedes an und nicht mit dem willkürlichen Einstellen einer neuen Arbeitskraft aus reiner Personalnot. Ganz im Gegenteil: Eine übereilte Personaleinstellung macht es eher noch schlimmer und gießt Öl ins Feuer der angespannten Nerven.


Jetzt die Abwärtsspirale durchbrechen und Mitarbeiter langfristig binden.

Fröhliche Praxismitarbeiter
Teambesprechungen, Schulungen und Einarbeitungen – das sind wichtige grundlegende Bestandteile, dass eine Arztpraxis überhaupt laufen kann. Mitarbeiter, die sich in einer Praxis wohlfühlen, werden die Praxis nicht so schnell verlassen und sind widerstandsfähiger, wenn Probleme auftreten. Nur wenn wieder Harmonie im Team herrscht, werden auch neue Mitarbeiter sich so willkommen fühlen, dass sie bleiben. So viel Zeit muss also in jedem Fall sein oder geschaffen werden, dass Teambesprechungen, Schulungen und Einarbeitungen wieder möglich werden. Und ich sehe, dass sich die Zeit doch einräumen lässt, zumindest einmal für 2 oder 3 Stunden, um das eigene Handeln zu reflektieren und neu auszurichten. Sonst hat die Praxis auf lange Sicht keine Chance, weil sich die Abwärtsspirale einfach immer weiterdreht. Dass es doch geht, sehe ich in den Arztpraxen, die ich schon länger zu Praxis- und Qualitätsmanagement betreue. In den Arztpraxen, die die QM-Elemente ernst nehmen und sie auch über die Corona-Pandemie nicht völlig vergessen haben, sind die Fluktuationsraten und auch der zeitliche Stress deutlich geringer, weil sie gelernt haben, dass sie mit strukturellen Veränderungen mehr erreichen können, als wenn sie einfach nur schneller arbeiten als bisher.